Leseprobe “Messene-die erträumte Metropole”
2005 LYSO-Verlag, Kalamata
Eva-Maria Lang, Waltraud Sperlich
ISBN 960-630-274-1
broschiert, 111 Seiten, 71 Abb.
14,80 €
Die Rückkehr
Der Wind wird stärker und Thelxippa wickelt sich fester in ihren Schal ein. Nicht weil es sie fröstelt.
Der Sturm aus dem Süden ist warm, bringt aber aus Afrikas Wüste gehörig Sand mit sich,
der wie mit Nadeln sticht. Er trübt den Blick auf die Küste, wo eine Wildnis aus Feigenbäumen fast bis zum Wasser reicht. Im Sandgestöber gehen die Fischerkaten unter, die sich an der Nordseite der Bucht einmal zu Kalamata auswachsen werden.
Thelxippa reibt sich die Augen. Schroff zeichnen sich im Osten die Zinnen des Taygetos-Gebirges ab, um diese Jahreszeit noch schneebedeckt. Einst passende Kulisse für Sparta, das dahinter ganz klein geworden ist. Höchste Zeit für den Frieden. Und doch trauern die friedliebenden Messenier einem Krieg nach. Einem Krieg, den sie verpasst haben. Diesem Krieg gegen die Perser, der einst die Griechen einte und ihnen eine Identität gab. Denn als sich die Griechen zum ersten Mal als Nation fühlten,
waren die Messenier bereits vertrieben.
Aus dem Dunst lösen sich andere Schiffe, die alle auf die Nordküste der Bucht zuschießen. Kommandorufe werden laut und Begrüßungen, die von Deck zu Deck geschrien werden.
Auch Thelxippas Sohn schreit. Ihr Segler rumpelt unsanft in den Hafen ein, wo ein Wald von Masten rauscht. Große Lastkähne entladen gerade ihre Fracht: Sklaven, die in unendlicher Reihe, unendlicher Ruhe die Planken hinuntertrotten. Tiefschwarze aus dem Innern Afrikas, hochgewachsene Sudanesen, Wüstensöhne aus der Sahara, Skythen vom Schwarzen Meer, wilde Kaukasier, Illyrer vom Balkan, Orientalen aus Kleinasien. Alles, was an Sklaven auf dem Markt ist, kaufen die Messenier im Moment auf.
So bewegt sich eine Menschenschlange, 20 Kilometer lang, laufend auf ihre Hauptstadt zu.
Neben dem Sklavenstau reiht sich Wagen an Wagen, auf denen es die freien Messenierinnen nicht unbedingt bequemer haben. Auch Thelxippa wird in einer dieser Sammelkutschen fast erdrückt und gäbe jetzt viel für ein Pferd. Die Männer reiten, selbst die alten. In den Gründerjahren machen neben Sklavenhändlern die Pferdehändler das Geschäft ihres Lebens im rossetragenden Messenien.
Von Süden her nähern sich Thelxippa und Familie ihrer neuen Hauptstadt. Als gebrannte Kinder haben die Messenier als erstes an ihre Sicherheit gedacht. Nach nur einem Jahr Bautätigkeit ist die mächtige Stadtmauer fast fertig. Stolze neun Kilometer ist sie lang, durch und durch solide gefügt aus riesigen Quadern, die in den Steinbrüchen nördlich des Ithome Tag und Nacht geschlagen werden.
Alle hundert Meter werden die ohnehin starken Mauern durch Wehrtürme noch verstärkt.
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