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Leseprobe “Demeter meckert”

2010 LYSO Verlag, Kalamata
Anna Jahn,
Illustrationen von Jeannette v. Mende-Dimitriou
ISBN 978-960-99303-0-7
broschiert, 214 Seiten, 38 Zeichnungen.
16,80 €


Das Loch

Unser Keller sollte also mit Naturstein gemauert werden wegen der biologischen Bauweise,
der ausgeglichenen Temperatur, der griechischen Tradition und überhaupt.
Aleko meinte, damit würden wir gar keine Probleme haben, das sei sogar die einfachste und billigste Bauweise. Sein Vater hatte das Familienhaus in Athen doch auch aus Stein gebaut, weil das Mauern mit Ziegelsteinen viel teurer gewesen wäre. Daran, dass das schon über vierzig Jahre her war und dass sich der Baumarkt seitdem total geändert hatte, verschwendeten wir keinen Gedanken.

Das Loch war fertig, wir gingen ins Dorf und bestellten Steine. Da die Leute glaubten, wir seien Unternehmer und wüssten, was wir tun, hielten sie es für überflüssig, uns eines Besseren zu belehren. Takis besaß einen Kipplaster und wollte uns die Steine besorgen, wo er doch der Transportfachmann war und alle Dörfer im Umkreis mit Baumaterial belieferte. Zwei Tage später kam er gegen Abend schwer beladen langsam auf unser Grundstück gerumpelt. Nachdem er die hintere Ladeklappe geöffnet, den Aufbau langsam hydraulisch hochgestellt hatte und die Ladefläche immer schräger wurde, polterten mit ohrenbetäubendem Krachen und einer leichten Bodenerschütterung drei riesige tonnenschwere Felsbrocken auf unser Grundstück.
Drei gigantische Brocken.
Wir waren sprachlos.

Als Aleko sich von der Überrumpelung erholt hatte, stürzte er sich auf Takis und fuhr ihn an:
„Was hast du dir dabei gedacht, uns diese Felsen aufs Grundstück zu schmeißen?
Wir haben Steine zum Mauern bestellt, aber nicht für eine Zyklopenmauer. Was stellst du dir denn vor, was wir mit diesen Riesenbrocken machen sollen?“ Takis lachte nur, während er die Ladefläche senkte und die Klappe schloss.
Er erklärte uns: „Ihr habt Steine bestellt, und das sind die Steine, die es gibt. Der Steinbruch liefert schon seit Jahren nur Kies und Splitt, um Beton zu machen und für den Straßenbau.
Seit Urzeiten mauert hier kein Aas mehr mit Natursteinen. Ihr werdet eure liebe Mühe haben, dafür jetzt noch einen Spezialisten zu finden. Wenn ihr so wild auf Steine seid, hättet ihr in die Mani ziehen sollen. Da gibt es Steine, und zwar nur. Ihr seid schon ein paar komische Käuze. Aber ich hör mich mal nach einem Steinmaurer um.“ Mit dieser vagen Versprechung stieg er in seinen Laster und fuhr scheppernd und klappernd davon. Aleko und ich standen vor unseren Steinen und waren wieder um eine Erfahrung und ein Problem reicher.

Tatsächlich jedoch stellte Takis uns acht Tage später einen alten Mann vor, der Steinmaurer gewesen war. Wenn, wie alle behaupteten, seit Urzeiten niemand mehr mit Natursteinen gemauert hatte, konnte der Mann, so alt wie der aussah, wahrhaftig noch mit ihnen gearbeitet haben. Wir mussten es wohl oder übel mit ihm versuchen, obwohl wir skeptisch waren, dass er mit den Felsbrocken fertig werden würde. Er warf sich in die Brust und sagte:
„Das ist überhaupt kein Problem für mich, denn damit habe ich gar nichts zu tun. Felsen zertrümmern gehört nicht zu meiner Handwerkskunst. Ich bin Maurer und behaue die Steine fachgerecht, aber vorher müssen sie selbstverständlich eine handliche Größe haben.“

Wir fanden niemanden, den die Herausforderung gereizt hätte, die Felsbrocken in handliche Stücke zu zerschlagen, auch nicht mit guter Bezahlung. Zum Schluss blieb diese Heidenarbeit an Aleko hängen. Mir war nicht wohl bei der Sache, aber er dachte bereits über die technischen Möglichkeiten nach. Unser neues Leben schien ihm unerschöpfliche Kräfte zu verleihen. Entschlossen kaufte er sich einen schweren Vorschlaghammer und hieb jeden Tag ein paar Stunden je nach Laune wütend oder enthusiastisch auf die Felsen ein. Natürlich hatten wir wieder keine Ahnung, wie man Felsen fachgerecht mit weniger Kraftanstrengung zerkleinert, aber mit brachialer Gewalt ging es auch.

Nach wochenlanger Schufterei hatte Aleko viele handliche Steine und Muskeln wie Rambo.