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Leseprobe “Die verfluchte Aphrodite”

2007 LYSO-Verlag, Kalamata
Gila Horn
ISBN 978-960-930071-1
broschiert, 185 Seiten, 28 Abb.
16,80 €


Stavros

An jenem Abend ging es hoch her in der „Räuberhöhle“, die Stimmung war geradezu ausgelassen, großzügig spendierte jeder jedem Wein. Zwei Tische waren besetzt mit Männern, die sich von den anderen unterschieden. Sie hatten sehr dunkle Gesichter, waren unrasiert, sehr groß und sehr schlank. An Fröhlichkeit und Trinkfreudigkeit standen sie den anderen kaum nach.

Plötzlich erklang ganz leise und zaghaft eine Panflöte, eine Flöte, wie sie hier die Hirten schnitzen. Die Töne schwollen an, verebbten wieder, waren erst klagend langgezogen, dann kurz und fröhlich. Ich fühlte mich in die Berge versetzt, wo eine erbarmungslose Sonne am fast weißen Himmel steht und die Steine glühen lässt.

In der Taverne herrschte absolute Ruhe. Aus einer dunklen Ecke bewegte sich eine Gestalt zur Mitte hin, die Arme ausgebreitet, den Kopf in den Nacken geworfen. In dieser Stellung verharrte sie einige Sekunden. Jetzt wechselte die Melodie und wurde so schrill, dass es fast weh tat. Andere Instrumente fingen an, die Flöte zu begleiten. Eines hörte sich an wie eine Harfe, die aber nicht elegisch, sondern ekstatisch gespielt wurde. Die Gestalt stand da wie in Trance. Noch immer waren die Arme so weit ausgebreitet, als wollten sie jemanden willkommen heißen. Der Kopf lag im Nacken. Jetzt spielte nur noch eine bousouki, diese griechische Version eines Banjo. Der Rhythmus wechselte jäh und der Mann fing zu tanzen an. Seine Schuhe waren vor Schmutz kaum zu erkennen, die verwaschene Hose hatte Flecken, aber das Hemd war chloriniweiß, was das Gesicht noch dunkler wirken ließ.

Das war Stavros. Stavros tanzte, und er tanzte nur für sich. Schlank und hochgewachsen, mit glänzenden schwarzen Locken, die ihm widerspenstig ins Gesicht fielen, war er ein attraktiver Mann. Mittelfinger und Daumen seiner Hände hatte er zusammengelegt, hielt sie wieder und wieder an seinen Kopf, als wollte er in sie hineinhören. Er bewegte sich leicht und anmutig und schien alles und alle um sich herum vergessen zu haben. Fast war es, als sei er schwerelos, als laste kein Alltag mehr auf seinen Schultern.

Jia sou, Stavre! spornten die Gäste der „Räuberhöhle“ den Tänzer an, der sich zu immer gewagteren Figuren hinreißen ließ. Er sprang hoch, hob sein Bein wie eine Cancan-Tänzerin und berührte mit dem Fuß den Holzbalken an der Decke, dann ließ er sich zurück in die Hockstellung fallen. Sein Hemd war bis zum Nabel aufgeknöpft, seine Brust war nass vor Schweiß. Mit jedem jia sou wurde ihm jetzt ein Glas vor die Füße geworfen, was in Griechenland standing ovations gleichkommt. Athanas, von allen nur Manoula, Mütterchen genannt, reichte dem Tänzer ein Glas Wasser, das der in einem Zug leerte. Dann ging Stavros zum Tisch des Spenders und knallte Manoula das Glas vor die Füße, die hiesige Form für ein inniges Dankeschön.


In der Räuberhöhle geht es hoch herJia sou, Stavre